Konzert

1. Sinfoniekonzert

Werke von Ludwig van Beethoven und Antonín Dvořák

Werke von Ludwig van Beethoven und Antonín Dvořák

Ludwig van Beethoven (1770‑1827)
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale« (1807/8)

Antonín Dvořák (1841‑1904)
Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 (1889)

Mit seiner 6. Sinfonie beabsichtigte Beethoven, die Eindrücke der Natur musikalisch erfahrbar zu machen. Dank ihrer genauen Satz-Überschriften wird die »Pastorale« oft als die Programmmusik schlechthin betrachtet. Dvořák versucht in seiner Achten keinesfalls, konkrete Naturszenen zu beschreiben, doch entstand diese Sinfonie während seines Naturaufenthalts im Gartenhaus in Vysoká, seinem beliebten Zufluchtsort. Obwohl der Sinfonie kein Programm zugrunde liegt, beinhaltet sie Spuren der dichterischen Reflexion und vermittelt das Gefühl des Einsseins mit der Natur, das Dvořák um diese Zeit mit Freude erfüllte. Diese beiden unterschiedlichen Naturbetrachtungen in der musikalischen Interpretation von Stefan Vladar eröffnen die Reihe der Sinfoniekonzerte der Spielzeit 2021/22.

Die Tonart F-Dur erhielt im Laufe der europäischen Musikgeschichte eine assoziative Verbindung zur Gattung der Pastorale und wurde als Ausdruck friedvoller Natur wahrgenommen. Für diese Tonart entscheidet sich Beethoven, als er die »Pastorale« komponiert. Für Beethoven selbst war die Natur aus persönlichen Gründen wichtig. 1810 schreibt er in einem Brief an seine Freundin Therese Malfatti: »Kein Mensch kann das Land so lieben wie ich. Geben doch Wälder, Bäume, Felsen den Widerhall, den der Mensch wünscht!« Oder in Baden im Sommer 1806: »Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: Heilig, heilig!«

Allerdings ist für ihn von großer Bedeutung, dass seine Musik nicht nur die Natur abbildet, sondern dass er seine Impressionen in musikalische Sprache übersetzt. Im Programmzettel der Uraufführung lässt er vermerken: Die Sinfonie sei »mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei«. Beethovens Sechste stellt die perfekte Balance zwischen Kreativität und Nachahmung, Erwartetem und Überraschendem, der Form und dem Inhalt dar: Charakteristische Stimmen der Natur, die sich in ihrer Einzigartigkeit nie wiederholen, flechtet er in den musikalischen Stoff der durchaus geregelten Kunstform ein.

Nach der Prager Uraufführung wurde die 8. Sinfonie G-Dur 1890 unter Dvořáks eigener musikalischer Leitung in der Londoner St. James Hall aufgeführt und konnte seinen internationalen Ruhm nur stützen. Statt des Beinamens »die Englische« (aufgrund der Erstveröffentlichung der Partitur in London) sollte diese Sinfonie eigentlich »die Tschechische« heißen, denn Dvořák entzieht sich dem früheren starken Einfluss der Brahms-Sinfonien und findet seinen besonderen Stil, der stark an die Tonsprache seiner Heimat angelehnt ist. Das Hauptmerkmal dieser Sinfonie ist die Fülle an harmonischen und rhythmischen Änderungen und melodischen Einfällen, die Brahms selbst kritisch als »fragmentarisch« und »nebensächlich« bezeichnete. Hermann Kretzschmar widmet der Achten in seinem »Führer durch den Konzertsaal« nicht mehr als anderthalb Seiten und behauptet schlichtweg, das Werk sei »den Begriffen nach, an die die europäische Musikwelt seit Haydn und Beethoven gewöhnt ist, kaum noch eine Symphonie zu nennen, dafür ist sie viel zu wenig durchgearbeitet und in der ganzen Anlage zu sehr auf lose Erfindung gegründet. Sie neigt dem Wesen der Smetanaschen Tondichtungen und dem von Dvořáks eigenen Slawischen Rhapsodien zu.« Doch heute wird diese Sinfonie ohne Zweifel als Wendepunkt in Dvořáks professioneller Entwicklung gesehen.

1. Sinfoniekonzert
Foto: Anja Doehring
ca. 1 Stunde, 45 Minuten (eine Pause)

Pressestimmen

»Bei dieser Interpretation der programmatischen »Pastorale« (…) konnte das Lübecker Publikum nun musikalisch erleben, wie zart und zerbrechlich die Natur ist und gleichzeitig auch rau und verwüstend sein kann. Nicht alleine beim letzten Satz (…) konnte das Orchester mit viel Klang der Dankbarkeit etwas Größerem gegenüber einzigartig Ausdruck verleihen, auch der Anfang von Dvoráks 8. Sinfonie kam choralartig und volltönend daher. Bei einem solch gelungenen Saisonauftakt wundert der übermäßig langanhaltende Applaus des Publikums zum Schluss nicht, wurde es doch für das lange pandemiebedingte Warten mit einem einzigartigen Konzert belohnt.« 

Lübecker Nachrichten

»Es war ein musikalisch wunderbarer Aufbruch in ein wiedergewonnenes Konzertleben. (…) Mit Beethovens Sechster begann das Programm (…). Die sanften dynamischen Wellen, die sich steigernde Dichte des Satzes mit den Streichern zu Beginn, den nacheinander hinzugenommenen Bläsern sind wunderbar kalkuliert. Auffällig feinsinnig ging GMD Stefan Vladar damit um, hörte zudem genau auf die Balance der Farben. (…) Grandios dabei die dynamische Differenzierung, die das Orchester diesem Naturgeschehen angedeihen ließ, ohne dabei in bloße Klangnachahmung zu verfallen. (…) Von anderer Art ist Antonín Dvořáks 8. Sinfonie. (…) Vladar, der wieder auswendig dirigierte, führte auch hier sein Orchester zu einer in jedem Moment gültigen Wiedergabe. (…) Zu Recht wurden das Orchester und sein Dirigent mit langem Applaus gefeiert. Sie hatten mit Bravour über die Corona-Beschränkungen gesiegt.« 

unser Lübeck

»[Stefan Vladar] prägte das schlanke und agile Klangbild mit fein gestalteten Übergängen und überaus differenzierter Dynamik. […] In der Szene am Bach mit den Vogelstimmen brillierten die Holzbläser, während das ›Lustige Zusammensein der Landleute‹ kantilenenselig fröhlichen Trubel verbreitete. Bei ›Gewitter, Sturm‹ packte das Orchestertutti kräftig zu, eine grandiose Szene. Und der ›Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm‹ verbreitete von Streichern und Bläsern angenehme Stimmung – ein heiterer Schluss am Ende einer ausgezeichneten Interpretation. […] Der zweite Satz [von Dvoráks Sinfonie] bot den Streichern, später den Bläsern Raum für satten Vollklang. Überhaupt war die kompetente Soloflöte besonders im gesamten Stück gefordert. Der Walzer hatte schwärmerische Eleganz, später furiantisch hochschlagende Intensität, und nach der Trompetenfanfare entwickelte sich im Finale mit klugen Temporückungen ein turbulenter Kehraus, der heftigen Applaus hervorrief.«

Lübeckische Blätter