Konzert
Werke von Carl Philipp Emanuel Bach, Franz Clement, Pierre-Montan Berton und Joseph Haydn
Carl Philipp Emanuel Bach (1714‑1788)
Sinfonie D-Dur Wq 183/1 (1776)
Franz Clement (1780‑1842)
Violinkonzert Nr. 1 D-Dur (1805)
Pierre-Montan Berton (1727‑1780)
»Nouvelle Chaconne« e-Moll (1762)
Joseph Haydn (1732‑1809)
Sinfonie Nr. 104 D-Dur »London« Hob I:104 (1795)
Das Programm des 7. Sinfoniekonzerts ist »ganz klassisch« und birgt doch mehrere Überraschungen. Eine selten zu hörende »Chaconne« trifft auf zwei unterschiedliche D-Dur-Sinfonien, die wiederum auf ein bisher (fast) gänzlich unbekanntes, meisterhaftes Violinkonzert in gleicher Tonart treffen.
Als sinfonisches Hauptwerk des Konzerts erklingt am Ende Joseph Haydns letzte seiner zwölf großen »Londoner Sinfonien«, die Sinfonie Nr. 104 – manchmal auch nach ihrem Auftraggeber (Johann Peter) »Salomon« genannt. Haydn ist der Vater der Sinfonie schlechthin – er hat die Gattung zu ungeahnter Größe entwickelt, auf der seine späteren Kollegen Mozart, Beethoven und alle weiteren großen Sinfoniker aufbauen konnten. Seine letzte Sinfonie trägt schon fast beethoven'sche Züge, vom proklamatorischen Unisono zu Beginn der langsamen Einleitung bis zu einer an Beethovens 5. Sinfonie erinnernde Durchführung. Aber auch Haydns ganz eigene Qualitäten wie Witz, Humor und Heiterkeit kommen in dieser Sinfonie voll zum Tragen. Kaum einem anderen Komponisten ist es wohl je gelungen, Volkstümliches mit dem Gelehrsamen auf so überzeugende Weise miteinander zu verbinden.
Wie schnell sich die Sinfonie – auch und vor allem durch Haydn – in den letzten zwanzig Jahren des 18. Jahrhunderts (weiter)entwickelt hat, zeigt der Vergleich mit Carl Philipp Emanuel Bachs »Sturm und Drang«-Sinfonie D-Dur aus dem Jahr 1776. Die dreisätzige Sinfonie gehört zum Spätwerk Bachs, der sich in ihr deutlich mehr Freiheiten erlaubt, als in seinen frühen Werken. Auch in der D-Dur Sinfonie gibt es viele unerwartete Wendungen und originelle musikalische Ideen – Eigenschaften, die sie mit den Sinfonien Joseph Haydns verbindet, und ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Barockzeitalter seines Vaters Johann Sebastian Bach und der klassischen Epoche darstellt.
Pierre-Montan Bertons »Nouvelle Chaconne« entstand noch einmal rund zehn Jahre vor C. P. E. Bachs Sinfonie. Sie ist noch ganz vom Klangcharakter des Barocks geprägt, führt die barocken Variationen über ein gleichbleibendes Bassthema aber geschickt in die Sphären der klassischen Klangsprache weiter. Die Chaconne ist ein kurzes Musikstück voller Glanz und Energie, am Übergang vom Spätbarock zur Frühklassik.
Franz Clement war bisher nur als Widmungsträger von Ludwig van Beethovens einzigem Violinkonzert bekannt. Das der bedeutende Geiger auch selbst komponierte, konnte man bisher allenfalls musikalischen Lexika entnehmen. Durch die 2020 erschienene, mehrfach prämierte Einspielung der beiden Violinkonzerte von Franz Clement durch Mirijam Contzen hat sich das geändert. Es ist schon erstaunlich, welch großartige Werke der Musikwelt da bisher verborgen blieben. Noch verblüffender ist es festzustellen, dass das 1. Violinkonzert von Clement ein Jahr vor dem epochemachenden Werk Beethovens komponiert wurde. Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung des Konzerts sind durchaus auf Augenhöhe mit dem ein Jahr später komponierten Violinkonzert des »Titanen« Beethoven.
Clements Violinkonzert und die Chaconne von Berton beweisen aufs Schönste, dass es neben den bekannten Komponisten Haydn-Mozart-Beethoven noch viel zu entdecken gibt, (nicht nur) im Zeitalter der »Klassik«.