Schauspiel

Automatenbüfett

von Anna Gmeyner

von Anna Gmeyner

Herr Adam angelt, eine junge Frau geht ins Wasser und er rettet sie: Eva.

Im Automatenbüfett seiner Frau sorgt Evas Anwesenheit für Aufsehen. Ihre Wirkung auf die Kundschaft und somit auf den Umsatz sind für Frau Adam der einzige Grund, sie als Bedienung einzustellen. Der Geschäftssinn regiert: Speisen gegen Münzeinwurf. Hier versammeln sich die Kleinbürger vom Stadtrat über den Oberförster, Apotheker bis hin zum Zeitungsredakteur. Im Hinterzimmer gärt bei Bier im großen Gerede der Herrschaften das Unheil des 20. Jahrhunderts: Antisemitismus und Nationalismus. Eva bleibt in den Augen der Herren – bei aller Faszination – ein schönes Ding, das im Konkurrenzringen erobert sein will. Adam instrumentalisiert sie für sein progressives Fischzucht-Projekt. Oder bedient Evas Kalkül die ihr bestimmte Rolle inmitten der gläsern-vollautomatisierten Seelenlagen?

In Anna Gmeyners Volksstück ringen die Figuren um Würde, sie sind von der Angst getrieben, zu kurz zu kommen, sie strampeln und treten, um sich in der Provinz Gewinn zu verschaffen. Eva und Herr Adam, unabhängiger von der Einschätzung der anderen, bleiben in dieser Gesellschaft des Umbruchs zwischen Tradition und Fortschrittsglauben Außenseiter.

Das satirische wie sozialkritische »Automatenbüfett« wurde bereits ein Jahr nach der Uraufführung 1932 in Hamburg verboten; unter dem Titel »Im Trüben fischen« wird die Züricher Premiere 1933 eine der ersten Vorstellungen des Exiltheaters. In Österreich, wo Anna Gmeyner 1902 in einer Wiener jüdischen Familie zur Welt kam, wird das Stück erst 2004 aufgeführt.

Der Regisseur Zino Wey begeisterte mit seinen kraftvoll-formalen Inszenierungen am Schauspiel Stuttgart wie am Nationaltheater Mannheim und stellt sich mit Gmeyners selten gespieltem Volksstück dem Lübecker Publikum vor.

Besetzung

Inszenierung Zino Wey
Kostüme Davy van Gerven
Musik/Komposition Lukas Huber
Licht Daniel Thulke
Dramaturgie Degna Martens
Frau Adam Susanne Höhne
Pankraz Johannes Merz
Stadtrat Erhardt Jan Byl
Apotheker Hüslein Andreas Hutzel
Oberförster Wutlitz Vincenz Türpe
Redakteur Arendt, Willibald Boxer Heiner Kock
Automatenbüfett
Foto: Falk von Traubenberg
Premiere 29/10/21 | Kammerspiele

ca. 1 Stunde, 45 Minuten (keine Pause)

Pressestimmen

»In den sehr gut gefüllten Kammerspielen des Theaters Lübeck hat es [Automatenbüfett] jetzt Zino Wey auf die Bühne gebracht. […] Es sind alte weiße Männer, die Zino Wey hier vorführt in all ihrer Gier und Doppelbödigkeit und Fähigkeit zur Intrige. Die junge Eva, die Lilly Gropper mit viel Vergnügen verkörpert, treibt ihr Spiel mit ihnen und ihren dunklen Leidenschaften. […] Mit Clementine Adam gibt es eine weitere starke Frau. Susanne Höhne macht aus ihr eine wunderbare zweite Säule in dieser aufgescheuchten Männerwelt, eine Trümmerfrau im Schutt ihrer Ehe. […] Zino Wey inszeniert all das mit überraschenden Einfällen und einem schönen Hang zum Unernst und zur Ironie. […] Langer Premierenapplaus.«

Lübecker Nachrichten

»In Lübeck ist es [Automatenbüfett] jetzt in der Inszenierung vom jungen Team um Zino Wey zu sehen: eine verstörende wie komische Obduktion einer gesellschaftlichen Mitte. […] Dialoge, Bewegungen, die Themen der Herrenrunde – absurdes Theater? […] Wey [verzichtet] darauf, das Stück mit technischen Mitteln in die Gegenwart zu zerren. Das ist gut. Man hat auch so ausreichend zu grübeln. Sehenswert ist diese Inszenierung allemal.«

shz

»Das Werk nach fast 90 Jahren wieder in Norddeutschland auf die Bühne zu bringen, ist eine verdienst- wie reizvolle Arbeit des Theaters Lübeck. […] Da sie [die Figuren] mit den Stars des Ensembles besetzt sind, wird das satirische Fest beklemmender Lustbarkeiten zu einem artifiziellen Vergnügen. […] In aller Ruhe lässt sich Regisseur Zino Wey darauf ein, doppelmoralisches Verhalten zu sezieren. […] mit der Besetzung gegen das Klischee legt die Regie viel Wert auf moderne Rolleninterpretation.«

taz Nord

»Die Bühne braucht nicht viel mehr als Snackautomaten, Klavier und Personenwaage. Da bleibt viel Platz für neun Charaktere. Ein anspruchsvolles und sehenswertes Stück.«

ultimo

Weitere Informationen

»Automatenbüfett« war Teil der FAZ-Serie »Spielplan-Änderung«. Die Reihe stellt Stücke vor, die noch nie oder seit langer Zeit nicht mehr auf der Bühne zu sehen waren. Im Video erläutern u.a. Barbara Frey, die mit ihrer Inszenierung von »Automatenbüfett« am Wiener Burgtheater zum Theatertreffen 2021 eingeladen wurde, sowie Regisseur Zino Wey, der bereits im November 2020 als Mitinitiator von »Spielplan-Änderung!« »Automatenbüfett« als szenische Lesung an der Volksbühne Berlin präsentiert hat, warum das Stück zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und warum es gerade heute so aktuell ist:

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