Schauspiel

Der Untertan

nach dem Roman von Heinrich Mann

nach dem Roman von Heinrich Mann
Bühnenfassung von Mirja Biel

Heinrich Mann zeichnet ein pointiertes Bild seiner Zeit – des Wilhelminischen Kaiserreichs – und übt beißende Kritik an dem Erstarken eines Nationalismus inmitten einer gesamtgesellschaftlichen Unsicherheit. Hellsichtig beschreibt er eine Welt, die auf den Abgrund zusteuert. In seinen Memoiren »Ein Zeitalter wird besichtigt« reflektiert er über »Der Untertan«: »Beendet habe ich die Handschrift 1914, zwei Monate vor Ausbruch des Krieges – der in dem Buch nahe und unausweichlich erscheint. Auch die deutsche Niederlage. Der Faschismus gleichfalls schon: Wenn man die Gestalt des ›Untertan‹ nachträglich betrachtet.«

Sein Protagonist Diederich Heßling erscheint als chauvinistischer und präfaschistischer Konformist ohne Zivilcourage. Sohn eines Papierfabrikanten, von Natur aus schwächlich und feige, empfindet er seine kleinstädtische Umgebung als ständige Bedrohung. Doch schon bald lernt Diederich, wie man sich für erlittene Demütigungen durch Anbiederung an die Autoritäten oder an die dominierende Masse rächen kann. Opfer seiner Gegenschläge sind immer die nicht Akzeptierten und Diffamierten: »Aus Klötzen […] erbaute er auf dem Katheder ein Kreuz und drückte den Juden davor in die Knie. Er hielt ihn fest, trotz allem Widerstand. […] Was Diederich stark machte, war der Beifall ringsum«.

Heinrich Mann beschreibt mit geistiger Schärfe den Aufstieg von Heßling zum »ehrenwerten Mitglied der Gesellschaft«, in Wirklichkeit eine Geschichte des moralischen Niedergangs, – und das Scheitern einer ganzen Gesellschaft.

Mit Lust an der gesellschaftlichen Analyse sowie an der bitter-bösen Komik der Romanvorlage wird sich Mirja Biel mit diesem Psychogramm eines Karrieristen auseinandersetzen. Nach dem 2007 erfolgreich initiierten »Wagner-trifft-Mann«-Projekt, u. a. mit Dramatisierungen von Thomas Manns »Buddenbrooks«, »Der Zauberberg« und »Lotte in Weimar«, rückt dessen älterer Bruder Heinrich in seinem 150. Geburtsjahr in den Fokus – ein Finale unter Brüdern.

Besetzung

Inszenierung Mirja Biel
Kostüme Hannah Petersen
Musik Arpen, Jacob Müller
Licht Falk Hampel
Dramaturgie Degna Martens
Guste Daimchen, Diederichs Ehefrau Rachel Behringer
Die Mutter Robert Brandt
Staatsanwalt Dr. Jadassohn Jan Byl
Heinrich Mann Michael Fuchs
Dr. Diederich Heßling Heiner Kock
Major Kunze Johannes Merz
Regierungspräsident von Wulckow Henning Sembritzki
Napoleon Fischer Vincenz Türpe

Statisterie

Der Untertan
Foto: Kerstin Schomburg
Premiere 14/08/21 | Großes Haus
Premiere + 15/08/21 | Großes Haus

ca. 2 Stunden, 50 Minuten (eine Pause)

Pressestimmen

»Mirja Biel (…) macht daraus keine Vorlesung, sondern hat auch sichtbar Lust am Spektakel. Es ist ordentlich was los auf der Bühne und daneben und davor. Heiner Kock spielt diesen Diederich Heßling (…) mit großer Energie. (…) Da macht sich eine große Spielfreude breit, und die Regisseurin gibt ihr den Raum, den sie braucht. (…) Mirja Biel bleibt nicht stehen beim Text, sondern geht in ihrer Inszenierung über ihn hinaus bis hin zu den Denkmalstürzen unserer Tage. Sie arbeitet mit Videos und einer Live-Kamera. Sie lässt die Geschichte von wechselnden Akteuren erzählen, die sich immer wieder auch direkt ans Publikum wenden (…). Sie legt Wert auf Details (Kostüme: Hannah Petersen) und kann sich auf eine passgenaue Musik verlassen (Arpen). (…) Da gab es Szenenbeifall. Und am Ende langen Premierenapplaus. Mit allem Recht.« 

Lübecker Nachrichten

»Insgesamt aber gelingt Biel ein eher reduzierter, spielfreudiger Abend, bei dem das Geschehen auch mal in die verrauchte Unterbühne des Ratskellers abtaucht. Der Einsatz von Live-Musik – Behringer singt, Kock spielt das, wie er charmant entwaffnend zugibt, sorgsam präparierte Klavier – lässt immer wieder freiere, stimmungsvolle Szenen entstehen; meist bleibt der zeitgeschichtliche Kontext erhalten. Mit überzeugenden Schau­spie­le­r*in­nen – Vincenz Türpe als aufrührerischer, drohender Fabrik­arbeiter Napoleon Fischer sei unbedingt noch erwähnt – erzählt Biel den Roman als zart skizziertes Historiengemälde.« 

taz

»Dann lässt sie [Mirja Biel] insbesondere Heßling-Darsteller Heiner Kock immer wieder aus der Rolle fallen, das Publikum mit seinem Charme umgarnen: »Ich kann doch nichts dafür!« Tatsächlich glaubt man ihm diese Ausflucht, weil Kock das klug spielt, als Schillern zwischen Hallodritum, Unsicherheit (nicht zuletzt im Umgang mit Frauen) und Skrupellosigkeit. Außerdem fährt Biel alles auf, was eine gut funktionierende Stadttheaterbühne zu bieten hat, Video, Unterbühnenspiel. Als irgendwann zwei Opernsänger:innen (Virginia Felicitas Ferentschik und Simon Rudolff) auftauchen und Wagner anstimmen, hat man längst kapituliert vor dem barocken »Von allem zu viel«-Charakter der Inszenierung, aber immer noch muss man zugestehen: Das funktioniert. [...] ›Der Untertan‹ ist eine beeindruckende Arbeit, die weder Publikum noch Ensemble schont.« 

Theater heute

»Zum 150. Geburtstag von Heinrich Mann hat die Regisseurin Mirja Biel eine durchaus gelungene Bühnenfassung des Untertan erarbeitet und versucht, mit einer gewissen Ironie den Charakter dieses obrigkeitshörigen, unterwürfigen, kaisertreuen Bürgers Diederich Heßlings zu enthüllen. […] Eine wahre Tour de Force bot Heiner Kock in der Rolle des Diederich Heßling, ein Schauspieler von enormer Bühnenpräsenz und ein absoluter Sympathieträger. […] Die Regisseurin Mirja Biel bot ihrem Hauptdarsteller sämtliche Freiheiten und Ausdrucksmöglichkeiten, durchweg leicht ironisch und dem satirischen Unterton des Werks freien Lauf lassend. […] Dabei waren die übrigen Mitwirkenden nicht nur Nebendarsteller, sondern engagierte Mitstreiter in dieser spannenden, gut durchdachten Inszenierung. […] Am Ende gab es donnernden Applaus des Publikums für diese spannende, heitere, aber auch nachdenklich stimmende Vorstellung, und Ovationen für alle Mitwirkenden […]«

IOCO - Kultur im Netz

»Mit seinem Heßling gelang Heinrich Mann eine plastische Persiflage, zugleich eine satirische Analyse der damaligen Zeit, durchaus also wert, ihn an unserer Zeit zu messen. (…) Ein dramenträchtiger Charakter ist er, den sich Mirja Biel vornahm. Sie sah ihn, durchaus akzeptabel, als ein grandioses Vorbild für lebende Opportunisten und fügte aus den biografischen Ansätzen in Heinrich Manns Roman mit unterschiedlichsten Verweisen auf das Heute einen lebendigen Theaterabend zusammen.«

unser Lübeck

»Der Kaiser und sein Untertan«

Heinrich Mann neu gelesen
In Kooperation mit dem Buddenbrookhaus und der Heinrich Mann-Gesellschaft

Gäste aus den Geisteswissenschaften beleuchten in der Matinee-Reihe anlässlich von Heinrich Manns 150. Geburtsjahr das Wilhelminische Zeitalter, dessen Prototyp eines Konformisten er mit seinem Protagonisten schuf.

Termin 06/02, 11.00 Uhr, Kammerspiele