Musiktheater
Kammeroper von Aribert Reimann (*1936)
Libretto von Uwe Schendel (1953‑1994)
Nach dem gleichnamigen Schauspiel von August Strindberg (1849‑1912)
Uraufführung 1984 in Berlin
Lübecker Erstaufführung
In deutscher Sprache mit Übertiteln
Wie würde der Blockbuster »Und täglich grüßt das Murmeltier« als expressionistischer, als absurder Film aussehen? Und wie würde sich die Filmmusik dazu anhören? Aribert Reimann weiß es. Zugleich fragt man sich, wie Filme wie »Shining« oder »Psycho« ausgesehen hätten, wenn die Protagonisten ohne Sprache hätten auskommen müssen. Wenn nur die Filmmusik zum Verständnis des Unverständlichen hätte beitragen können. Aribert Reimann weiß es.
In der »Gespenstersonate« steht die Sprachlosigkeit im Vordergrund: Eine morbide Gesellschaft kommt seit vielen Jahren zum Essen zusammen. Der Ablauf ist immer derselbe. Eines Tages wird alles anders, als einer versucht, die Verwirrung aller zu entwirren – und doch ist alles zu verworren, um es zu entwirren. Auch das Okkulte und Mystische steht hier im Vordergrund. Die Welt wird nicht mehr nach Prinzipien von Kausalität und Logik abgebildet, sondern folgt einer höheren, metaphysischen Logik. In ihr walten Mächte, die wirklicher erscheinen als die Mächte dieser Welt. Die Sprachlosigkeit des Gespenstersoupers ist dafür eindrückliches Symbol. Dort, wo das Schweigen, die Sprachlosigkeit einsetzt, kommt die Ausdrucksmöglichkeit der Musik voll zur Geltung.
Nach Kafka ist Kunst und sind Bücher nicht dazu da, uns glücklich zu machen. Im Gegenteil glaubte er, dass »ein Buch die Axt sein muss für das gefrorene Meer in uns.« Strindbergs und Reimanns »Gespenstersonate« ist ohne Zweifel eine Axt dieser Art. »Mich überkommt zuweilen ein rasendes Verlangen, alles zu sagen, was ich denke, aber ich weiß, dass die Welt einstürzen würde, wenn man wirklich aufrichtig wäre.« Ich glaube, in der Kunst kann und muss man diesem Verlangen nachgeben und alles sagen und dabei aufrichtig und schonungslos sein. Sonst stürzt die Welt in ein gefrorenes Meer. (Julian Pölsler)
Statisterie des Theater Lübeck