Schauspiel

Effi, Ach, Effi Briest

frei nach Theodor Fontane von Moritz Franz Beichl

Effi, die noch keinen Mann kennengelernt hat außer ihrem schweigsamen Papa, wird in jungen Jahren verheiratet und langweilt sich in ihrer Ehe, langweilt sich in der pommerschen Provinz, langweilt sich in ihrem Dasein als Frau im Deutschen Kaiserreich. Eine Affäre schafft für eine Weile Ablenkung und Linderung, aber als Effis Gatte Jahre später die alten Liebesbriefe findet, muss sie sich doch einreihen in die Riege »gefallener Frauen« von Anna Karenina bis Madame Bovary.

Fontanes Gesellschaftsroman von 1895 dürfe laut Thomas Mann in keiner Bibliothek fehlen und wird gerne als Vorläufer der »Buddenbrooks« bezeichnet. In seiner Theaterfassung verzichtet der österreichische Autor Moritz Franz Beichl jedoch auf poetischen Realismus und Fontanes Symbolismus (Sonnenuhr! Schaukel! Schlittenfahrt!) und konzentriert sich auf die Kernfiguren der Erzählung. Im Zentrum stehen Effis Jugendlichkeit, ihre Fantasie und ihr Witz – positive Eigenschaften einer nicht länger passiven Figur, die in ein immer enger geschnürtes Korsett gesellschaftlicher Erwartungen gezwängt wird. Denn Beichl folgt durchaus der Romanhandlung und Fontanes Kritik an starren Normen in einer überkommenen Gesellschaftsordnung, aber er schreibt diese fort ins Heute. »Wer braucht schon Fontane, wenn man Effi hat?«, fragt der Autor provokativ und verpasst der Geschichte einen neuen komödiantischen Anstrich, der seiner Titelheldin würdig ist.

Besetzung

Inszenierung Maike Bouschen
Bühne & Kostüme Valentina Pino Reyes
Musik Tim Thielemans
Licht Daniel Thulke
Dramaturgie Mia Massmann
Mutter Briest Susanne Höhne
Vater Briest Henning Sembritzki
Innstetten Will Workman
Crampas Johannes Merz
Roswitha Sonja Cariaso
 Effi , Ach,  Effi   Briest
Foto: Sinje Hasheider
Wiederaufnahme 21/03/25 · Kammerspiele

Dauer: ca. 1 Stunde, 40 Minuten (keine Pause)

Pressestimmen

»Luisa Böse, […], glänzt […] als junge Frau zwischen unbändiger Lebenslust, Naivität, Schicksalsergebenheit und Angst vor der eigenen Courage. Ihr Gegenpart […] ist das Kindermädchen Roswitha, die ihr Aufbegehren in die Welt schreit und zur engen Vertrauten und Beschützerin von Effi wird. Sonja Cariaso brilliert als BFF (best friend forever) […]. Fontanes Personal ist reduziert, auf dem Karussell kreisen außer Mutter und Vater Briest der Baron von Instetten und Offizier Crampas. Die Figuren sind bis ins Groteske überzeichnet. Susanne Höhne kostet als sexbesessene Mutter Briest eine Paraderolle aus, während Vater Briest (Henning Sembritziki) bis auf das Schlusswort nichts zu sagen hat. Will Workman kann als Baron von Instetten seiner Spielfreude Zucker geben - als Macho, Looser, Knalltüte. Johannes Merz als Offizier Crampas […] dient auch nicht wirklich als Lustobjekt, bietet sich aber als Projektionsfläche dafür in köstlicher Manier an. Insgesamt dominieren die starken Frauen das Stück, während die Kerle als arme Würstchen durchs Leben gockeln […]. Ein Klassiker in zeitgemäßer Aufführung – wer einen Deutschkurs leitet, sollte mit seinen Schülern unbedingt diese Effi im Theater feiern. Das Premierenpublikum jedenfalls war begeistert.«

Lübecker Nachrichten

»Die […] Premierengäste erlebten […] mit dieser farbenprächtigen, zeitgenössischen Komödie in der Inszenierung von Maike Bouschen einen höchst vergnüglichen Theaterabend […]. Mit kräftigem Schlussapplaus bedankten sich die Zuschauer für dieses pralle Theatererlebnis. […] Humorvoll und tragisch, leicht und schwer, heiter und besinnlich. Es ist alles drin in dieser Komödie, was man von einem guten, anregenden Theaterabend erwarten darf. […] Dieser Klassiker [ist] auch als Komödie sehenswert. Dazu trägt auch die poppige Musik bei (Tim Thielemans). Und nicht zu vergessen das zauberhafte Bühnenbild und die märchenhaften Kostüme (Valentina Pino Reyes).«

KulturPort.de

»Die Bühne ist eine Orgie in Pink. Einhörner rotieren auf einem Kinderkarussell – als Bild für Effis noch ziellos um sich selbst kreiselnde Mädchentraumidylle […]. […] Häufig funktionieren solch grellbunte Comic-Zuspitzungen auf dem Theater nicht, […] weil sie kalt, zombiehaft, plastiksteril in ihrer veräußerlichenden Überdrehtheit daherkommen. In Lübeck aber bleibt stets eine Ambivalenz gewahrt. Weil das fantastische Ensemble mit ansteckendem Behauptungsfuror die künstliche als kunstvolle Bühnenwirklichkeit erschafft und unter all der fidelen Oberflächlichkeit die Nöte der Figuren mitschwingen lässt. […] beeindruckend doppelbödige Spaßspiellust.«

Theater der Zeit

»Das Regieteam und sechs Darsteller zeigen, warum der Lauf der Zeit großer Literatur nichts anhaben kann. […] Es ist der Stoff für eine bedrückende Komödie, die Herz und Hirn in Wallung bringt. […] Beichl konzentriert sein Drama auf das Kernpersonal des originalen Gesellschaftsromans. Zu den […] fünf Menschen gesellt er […] Sonja Cariaso mit subversiver Power und kraftvoller Gesangsstimme […].«

Lübeckische Blätter

»Zu Beichls literarischer kommt also eine musikalische Transposition. Auf der Bühne wird die Handlung zudem zu Discokugelgelichter mit Pop-Hits illustriert, inszeniert als Musical-Parodien. […] Hinreißend, wenn Mutter Briest später Billie Eilishs Ode an den ›Bad guy‹ anstimmt und zwei männliche Geschöpfe des Ensembles dazu ein Blockflötenduett spendieren. […] Die Regie setzt auf einen hübsch grotesken Ansatz. […] Effi ist hier vor allem eine an ihren Sehnsüchten verzweifelnde junge Frau.«

taz Nord