Musiktheater

Owen Wingrave

Oper von Benjamin Britten · Libretto von Myfanwy Piper

Oper von Benjamin Britten (1913‑1976)
Libretto von Myfanwy Piper (1911‑1997)
Nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Henry James (1843‑1916)

Uraufführung 1971 als Sendung der BBC / 1973 szenisch in London
Reduzierte Fassung von David Matthews (*1943)

Lübecker Erstaufführung

In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Über der Offiziersfamilie Wingrave liegt der Schatten eines alten Fluchs: Der Legende nach erschlug ein Vorfahr seinen Sohn, weil dieser die Familienehre nicht verteidigen wollte. Die Leiche des Kindsmörders wurde kurz darauf im selben Zimmer aufgefunden und die Todesursache nie geklärt. Krieg, Disziplin, Ordnung und Hierarchiegläubigkeit bestimmen das Sein der Wingraves seit Generationen. Im Gegensatz dazu hat die Erinnerung an das Schicksal des erschlagenen Sohns das Leben von Sprössling Owen geprägt. Owen, braver Junge und Familienstolz, entscheidet sich, nach reiflicher Überlegung, seine Offiziersausbildung abzubrechen und die Militärakademie zu verlassen. Die Familie betrachtet diese Haltung als Verrat. Er wird bedrängt, verspottet, bedroht und am Ende enterbt. Selbst seine Verlobte wendet sich von ihm ab, da sie ihn für einen Feigling hält. Doch gerade der Mut, seiner Familiengeschichte und seinem Schicksal zu widerstehen und seinen eigenen Überzeugungen treu zu bleiben, ist die Stärke, die Owens Charakter ausmacht.

Benjamin Britten floh 1939 nach Amerika, da er den Krieg in Europa heraufkommen sah. Nach seiner Rückkehr ließ er sich 1942 in England als Pazifist registrieren. Den Rest der Kriegszeit veranstaltete Britten sodann anstelle des Armeedienstes Konzerte für die vom Krieg am härtesten betroffenen Bevölkerungsgruppen. Im »War Requiem«, seinem großen pazifistischen Hauptwerk, vertonte Britten 1962 Gedichte des englischen Kriegsdichters und Soldaten Wilfried Owen, die im Gegensatz zur offiziellen patriotischen Rhetorik standen und sich mit seinen eigenen Kriegserlebnissen deckten. »Owen Wingrave« ist als Ausdruck der pazifistischen Überzeugungen Brittens gedeutet worden, die er zum Teil selbstironisch, aber meist offen und voller Mut in seiner Oper verteidigt. In seiner Inszenierung wird Stephen Lawless einen Fokus auf die Geschichte des persönlichen Widerstands und die Verarbeitung der Traumata der Vergangenheit setzen.

Besetzung

Musikalische Leitung Stefan Vladar
Inszenierung Stephen Lawless
Ausstattung Ashley Martin-Davis
Licht Falk Hampel
Kinderchor Gudrun Schröder
Owen Wingrave Johan Hyunbong Choi
Spencer Coyle Gerard Quinn
Lechmere Yoonki Baek
Miss Wingrave Sabina Martin
Mrs. Coyle Evmorfia Metaxaki
Mrs. Julian Andrea Stadel
Kate Julian Wioletta Hebrowska
General Sir Philip Wingrave / Erzähler Wolfgang Schwaninger

Kinderchor Vocalino und Statisterie des Theater Lübeck

Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

Owen Wingrave
Foto: Jochen Quast
Premiere 03/09/21 | Großes Haus
Premiere + 05/09/21 | Großes Haus

ca. 2 Stunden, 5 Minuten (eine Pause)

Pressestimmen

»Takahiro Nagasaki […] [dirigierte] eine hervorragende Interpretation der Briten-typischen Klangwelt mit wundervollen Harmonien und Rhythmen […]. […] Ein Glücksfall für das Lübecker Haus ist die Regie von Stephen Lawless. Sie ist nicht nur außerordentlich nah an der Handlung; sie zeichnet sich auch durch eine sehr gelungene Charakterisierung der Personen aus und vermittelt eine düstere Atmosphäre eines englischen Adelssitzes mit ihren altmodisch „überpatriotisch“ agierenden Bewohnern, eindrucksvoll unterstützt vom Bühnenausstatter Ashley Martin-Davis. Der Erfolg dieser Lübecker Produktion wird durch großartige Protagonisten des Hauses unterstrichen. […] Besonders grandios: der Zusammenklang der Stimmen. Dadurch und in Verbindung mit dem beeindruckenden, Britten-typischen Orchesterklang und einer überaus gelungenen Leistung der Regie und Ausstattung, kann man nur von einer insgesamt fulminanten Aufführung sprechen.«

Ihr Opernratgeber

»Ein vielversprechender Auftakt (…) Satte Harmonien, dissonante Blitze, symbolhaft eingesetzte Soloinstrumente, stampfende Rhythmen bei reichhaltigem Schlagwerk wurden von den Lübecker Philharmonikern unter Stefan Vladar so perfekt dargeboten, dass sich das Publikum schon zu Beginn des zweiten Aktes mit Bravorufen bedankte. (…) Die Sänger auf der Bühne haben auch schauspielerisch Einiges zu leisten, alle überzeugen. Johan Hyonbong Choi gestaltet die Partie des Owen facettenreich: leidenschaftlich, verletzlich, verzweifelt. Gerard Quinn (ist) stimmlich verlässlich wie immer. Ebenso Evmorfia Metaxaki (…), ihr heller und klarer Sopran setzt Glanzlichter. Yoonki Baek (…) zeigte mit warmem Timbre große Spielfreude. Mit markanter Härte versah Sabina Martin ihre Stimme (…). Wioletta Hebrowska (bewältigte) die Verlobte Owens, Kate, (…) in ihrem vollen, schönen Mezzosopran mit Bravour. Andrea Stadel (…) bringt beinahe komische Elemente ins Spiel (…). Das sichtlich berührte und begeisterte Publikum entließ mit Standing Ovations alle Mitwirkenden in eine hoffnungsvolle Spielzeit 2021/22.«

Lübecker Nachrichten

»Die Mitwirkenden sind nicht nur gesanglich gefordert, mehr noch als Charakterdarsteller. (…) Eine Schlüsselszene ist der Empfang von Owen und großartig inszeniert (Stephen Lawless und Steven Lehmann). (…) Johan Hyunbong Choi (…) liefert hier ein beeindruckendes Bild eines großen Charakters, dem erst nach seinem Tod tragische Anerkennung widerfährt. (…) Stefan Vladar, GMD und Operndirektor, beweist, dass er für die unaufdringliche wie ausdrucksstarke Musik Brittens ein großes Gespür hat. Er inspirierte die Sänger und die Lübecker Philharmoniker im Graben zu einer überzeugenden Gesamtleistung. Viel Beifall gab es bei der Premiere für eine nachdenklich stimmende Produktion am Lübecker Theater!«

nmz/unser Lübeck

»Mit der Inszenierung von Stephen Lawless zusammen mit dem Ausstatter Ashley Martin-Davies und der Videokunst von Andreas Beer gelingt eine bezwingende Umsetzung des Bühnenwerkes. (…) Johan Hyunbong Choi ist der letzte Sohn der Sippe auf dem Weg der Verweigerung. Eine gesanglich und auch darstellerisch bezwingende Leistung. (…) Yoonki Baek (…) verfügt über alle Facetten des Triumphierens und des gleichzeitigen Selbst-Zweifels, die die Charakterisierung dieser Rolle erfordern. Die Verlobte Owens überzeugt in der gewohnt souveränen Gestaltung von Wioletta Hebrowska. (…) Ein Kabinettstück in gruselig gesellschaftlich-irregeleiteter Haltung vertritt Wolfgang Schwaninger als alter General Sir Philip Wingrave. Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der Leitung von Stefan Vladar spielt, als ob es die gesamte Zeit der Corona-bedingten Abstinenz für seine weitere Ausprägung sehr feinfühliger musikalischer Fähigkeiten genutzt hätte, die es jetzt so äußerst subtil präsentiert. (…) Das (…) Publikum leistet schließlich seinen eigenen Beitrag mit begeistertem Applaus und Bravorufen.«

O-Ton/Opera Online

»Dies schon vorweg: Bereits nach dem ersten Akt gab es begeisterten Applaus. (…) Der Bariton Johan Hyunbong Choi singt und spielt sowohl den Kampf mit seinem Gewissen als auch die neugewonnene langgereifte Überzeugung absolut glaubhaft. (…) Brittens Musik ist ebenso hart wie mitreißend. Partitur und Libretto bilden eine großartige, bedrückende Einheit und es gibt trotz aller Sprödigkeit wunderbare Momente (…). All diese verschiedenen Klangfarben und Rhythmusbrüche entlässt das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter Vladars ebenso entschiedenem wie feinfühligem Dirigat makellos und eindringlich aus dem Graben. (…) Langanhaltender, verdienter, stehender Applaus und viele ›Bravo‹-Rufe für eine ganz große Oper.«

Der Opernfreund

»Regisseur Stephen Lawless und Ausstatter Ashley Martin-Davis haben hier eine Produktion auf die Bühne gebracht, in der sich immer wieder spannende Bilder entwickeln und verändern, während man zuschaut […]. […] Unterstützt wird […] vom bestens disponierten Kinderchor Vocalino (Leitung: Gudrun Schröder), dessen junge Künstler der gruseligen Stimmung eine weitere Facette im besten Sinne hinzufügen. […] Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Stefan Vladar klang über weite Teile beeindruckend gut.«

mittelloge

»Regisseur Stephen Lawless hat hier eine packende, beklemmende, gut durchdachte Umsetzung der Handlung auf die Bühne gebracht. (…) Die Titelrolle sang Johan Hyunbong Choi mit geschmeidigem Bariton, beeindruckend von Beginn an bis zum Ende (…). Wioletta Hebrowska singt die Kate mit dramatischem Mezzosopran (…). Ihre Mutter (…) lag bei Andrea Stadel mit ihrem glockenhellen Sopran in guten Händen. Yoonki Baek (…) präsentiert hier seinen höhensicheren lyrischen Tenor, während Sabina Martin (…) ihren dramatischen Sopran resolut einzusetzen verstand. Gerard Quinn (…) mit edel geführtem Charakterbariton und die schönstimmige Sopranistin Evmorfia Metaxaki (…) waren die verständnisvollen ausgleichen­den Pole dieser Inszenierung. Schließlich bot der Charaktertenor Wolfgang Schwanninger (…) eine intensive Studie gestrenger gnadenloser Autorität. as Philharmonische Orchester unter der kompetenten Leitung von GMD Stefan Vladar leuchtete Brittens ausdrucksstarke Musik sehr präzise aus, meisterte die rhythmisch trickreichen Passagen nahezu spielerisch.« 

IOCO – Kultur im Netz

»Ausdrucksstark und packend (…) Das Stück mag angesichts seiner bitteren Aktualität spröde sein, dennoch ist hohe Unterhaltung zu erleben. Johan Hyonbong Choi zeigt in der Titelpartie überzeugend den Weg vom Zweifler zum gefestigten Kriegsdienstverweigerer; Gerard Quinn überzeugt als feinfühliger Ausbilder, Wolfgang Schwaninger als hartgesottener Ex-Militär. Die charakterlich schwierigeren Rollen sind den Frauen auferlegt. Es sind Owens Tante (Sabina Martin), seine Verlobte Kate (Wioletta Hebrowska) und deren Mutter (Andrea Stadel), die das Wingrave-Ideal einfordern (…). Ein Happy End gibt es für die Sänger, das Regie-Team und den Dirigenten: Das Premierenpublikum dankt ihnen mit Standing Ovations.« 

shz

»Lawless führt das Lübecker Ensemble klar (…) und lässt es seine stimmlichen Qualitäten zeigen. Grandios der Bariton Johan Hyunbong Choi in der Titelpartie mit seinem unter die Haut gehenden Monolog, sonor Gerard Quinn als sein Ausbilder Coyle, tenorale Zwischentöne von Yoonki Baek alias Leichtfuß Lechmere, Wolfgang Schwaninger sicher in Nebenrollen. Dazu vier Frauenrollen: vier unterschiedliche Charaktere, viermal vokale Hochleistung von Wioletta Hebrowska, Sabina Martin, Evmorfia Metaxaki und Andrea Stadel. Es ist zeitgemäßes, unter die Haut gehendes Musiktheater auf der Basis einer filigranen Partitur. Was da von einem reichhaltigen Instrumentarium interpretiert, kommentiert und charakterisiert wird, lässt GMD Stefan Vladar nie dick auftragen, sondern gibt der Virtuosität vieler Philharmoniker die Stütze.«

HL-live

»Der Regisseur Stephen Lawless hat hier eine packende, beklemmende, gut durchdachte Umsetzung der Handlung auf die Bühne gebracht. […] Die Titelrolle sang Johan Hyunbong Choi mit geschmeidigem Bariton, beeindruckend von Beginn an bis zum Ende ]…]. Wioletta Hebrowska singt die Kate mit dramatischem Mezzosopran […]. Die ehrgeizige Offizierswitwe Mrs. Julian lag bei Andrea Stadel mit ihrem glockenhellen Sopran in guten Händen. Yoonki Baek als sein eher leichtfertiger Freund Lechmere […] präsentiert hier seinen höhensicheren lyrischen Tenor, während Sabina Martin als traditionsbewusste, elegant gekleidete Miss Wingrave […] ihren dramatischen Sopran resolut einzusetzen verstand. Gerard Quinn […] mit edel geführtem Charakterbariton und die schönstimmige Sopranistin Evmorfia Metaxaki […] waren die verständnisvollen, ausgleichenden Pole dieser Inszenierung.  […] Das Philharmonische Orchester unter der kompetenten Leitung von GMD Stefan Vladar leuchtete Brittens ausdrucksstarke Musik sehr präzise aus, meisterte die rhythmisch trickreichen Passagen nahezu spielerisch. […] Dem […] gut besuchten Lübecker Theater kann man mit dieser Neuproduktion einen höchst erfolgreichen Start in die neue Spielzeit attestieren.« 

Der neue Merker

»Der britische Regisseur Stephan Lawless hat eine temporeiche, intensive Inszenierung entwickelt […]. Die Sänger des Abends zeigen sich stimmlich und schauspielerisch durchweg ausgezeichnet. Johan Hyonbong Choi glänzt als Owen, vielschichtig und intensiv, mit fein ausgepegeltem Bariton; Gerard Quinn ist ein glaubwürdiger Spencer Coyle, präsent und stimmlich ausgewogen. Seine Ehefrau Mrs. Coyle singt Evmorfia Metaxaki spannungskräftig und strahlend auch in hohen Sopranlagen. Der naive Lechmere wird von Yoonki Baeck überzeugend verkörpert, mit angenehm leuchtendem Tenor. Sabina Martin ist die selbstgerechte Miss Wingrave, zupackend und hart. Die Verlobte Kate gibt Wioletta Hebrowska konsequent und durchsetzungsstark mit tragfähigem Mezzosopran, eine überzeugende Leistung. […] Die Philharmoniker bewähren sich überzeugend in den Schlagzeugepisoden und klangfarblichen Vertraktheiten der Partitur. […] GMD Stefan Vladar hält Bühne und Graben bestens zusammen, sorgt für intensiven Eindruck und wirkt konsequent am Pult. Es gab heftigen Beifall für alle.« 

Lübeckische Blätter